Gott besitzt einen lebendigen Atem,
und dieser Atem heißt Mensch.
Der Mensch hat ein lebendiges Ziel,
und dieses Ziel heißt Gott.
Der Mensch und Gott sind füreinander unentbehrlich. Der Mensch braucht Gott für seine höchste transzendentale Verwirklichung; Gott braucht den Menschen für Seine unumschränkte irdische Manifestation. Der Mensch braucht Gott, um seine höchste Wahrheit, seine höchste Existenz zu verwirklichen; Gott braucht den Menschen, um Sich hier auf Erden vollständig und auf göttliche Weise zu manifestieren.
Wir haben das Gefühl, wir bräuchten Gott mehr als Er uns, aber das stimmt nicht. Gott braucht uns genauso, wenn nicht noch mehr. Warum? Er kennt unser Potential, unsere Möglichkeiten unendlich besser als wir selbst. Wir halten uns für nutzlos, hoffnungslos und hilflos, aber in Gottes Augen sind wir wahrhaftig Seine göttlichen Instrumente. Er möchte uns auf vielfache Weise einsetzen. Das ist Sein Traum, den er in Wirklichkeit verwandeln will. Gott möchte, dass wir nicht nur unendlich, sondern auch ewig und unsterblich sind. Er weiß, dass wir die Fähigkeit dazu besitzen, denn Er hat sie uns gegeben. Nun möchte Er, dass wir davon Gebrauch machen.
Du sprichst von Gott, aber wir haben überhaupt keine Vorstellung davon, wer Gott ist. Wer ist Gott wirklich?
Sri Chinmoy: Gott ist reine Liebe. Gott ist reines Licht. Gott ist reine Schönheit. Gott ist alles: Wahrheit, Frieden, Licht und Seligkeit in unendlichem Maß. Er hat Gestalt; Er ist formlos. Wenn du Gott als Frieden erfährst, wirst du sagen, Gott sei Frieden. Wenn du Ihn als Licht erlebst, wirst du sagen, Gott sei Licht. Und erfährst du Ihn als Liebe, wirst du sagen, Gott sei Liebe.
Weil wir nun einmal Menschen sind, sagen wir nach unserem beschränkten Verständnis, Gott sei dieses oder jenes. Aber in Wahrheit ist Gott alles. Wenn wir Ihn als unendliche, formlose Weite erleben wollen, so können wir das tun, und wollen wir Ihn wiederum auf persönliche Weise als strahlendes Lichtwesen direkt vor uns erfahren, so ermöglicht Er dies auch.
Wenn du den Gottesbaum berührst, machst du vielleicht die Erfahrung von Frieden, während jemand anders die Erfahrung von Glückseligkeit macht. Also wirst du sagen, Gott sei Frieden, während jene andere Person sagen wird, Gott sei reine Seligkeit. Aber es ist derselbe Gott, dasselbe Ziel. Auf dem Weg zum Ziel mögen wir es auf verschiedene Weisen wahrnehmen; doch sobald wir es erreicht haben, können wir erkennen, dass es alles umfasst. Wenn wir den Gottesbaum dann beschreiben oder definieren sollen, werden wir ihn unter jenem Aspekt beschreiben, zu dem wir die innigste Beziehung haben. Wir mögen vielleicht alle Aspekte erfahren, aber wenn wir unsere Erfahrung zum Ausdruck bringen sollen, werden wir jenen Aspekt beschreiben, den wir am liebsten haben.
Wenn du wirklich Gott willst,
so kann Er niemals an zweiter Stelle stehen.
Er wird immer an erster Stelle stehen.
Er wird zu dir als Vertrauter kommen.
Er wird zu dir als oberster Ratgeber kommen.
Er wird zu dir als dein einziger Freund kommen.
Gibt es nur einen einzigen Gott?
Sri Chinmoy: Es gibt einen absoluten Gott, aber jeder Mensch ist ein Teil Gottes. Dieser über allem erhabene Gott gleicht dem Ozean. Jeder Tropfen trägt ein wenig vom Bewusstsein des Ozeans in sich; daher können wir sagen, dass jeder Tropfen ein winziger Gott ist, ein Teil Gottes. Wenn du ein Teil des Unendlichen bist, kannst du sagen, dass du auch die Essenz des Unendlichen verkörperst.
Gemäß unserer indischen Philosophie gibt es genauso viele Götter wie Menschen. Was meinen wir damit? Jeder Mensch trägt Gott in sich. Die meiste Zeit über schläft Gott in uns tief und fest. Aber wenn wir beten und meditieren, kommt unser Gott zum Vorschein. Die Seele, die Gottes Vertreter in uns ist, steht in vollkommener und untrennbarer Verbindung zum Absoluten Gott.
Gott ist der göttliche Gärtner.
In jeder Blumenseele sieht er
Seine eigene neue,
einzigartige Schönheit.
Gott ist dein eigener höchster, vollkommenster, am meisten erleuchteter Teil. Du bestehst aus zwei Teilen: der eine ist höher, der andere niedriger. Die meiste Zeit über hältst du dich im niedrigeren Teil auf. In dem Moment, wo du dir deines höheren Teils voll bewusst wirst und dein niederer Teil zur Gänze umgewandelt und mit dem Höchsten vereint ist, bist du nichts anderes als Gott. Auch wenn er noch nicht erkannt oder offenbart ist, ist dein eigener höchster, am weitesten entwickelter, vollkommenster und lichtvollster Teil Gott. Doch was du jetzt bist, ist nicht vollkommen; es ist weit von Vollkommenheit entfernt.
Des Menschen ewige Frage ist:
„Wer ist Gott?“
Gottes unmittelbare Antwort ist:
„Mein Kind, wer sonst ist Gott,
wenn nicht du?“
Manche Leute behaupten, sie würden nicht an Gott glauben, aber trotzdem sind sie gute Menschen und scheinen glücklich zu sein. Wie ist das zu erklären?
Sri Chinmoy: Auf welche Weise auch immer wir die Wirklichkeit wertschätzen oder uns mit ihr identifizieren wollen – wir müssen fühlen, dass wir das Göttliche wertschätzen und uns mit dem Göttlichen identifizieren. Dieses Göttliche nennen wir entweder Gott oder Geist oder Wesenheit. Wenn du es nicht Gott nennen willst, so steht dir das völlig frei. Aber es muss ein anderer Name für Freude sein. Freude selbst ist Gott. Wenn du die Schönheit der Natur bewunderst und dabei glücklich bist, dann ist das Glücksgefühl, das du empfindest, Gott. Wenn wir Gott mit einem Wort definieren sollen, dann würde ich sagen, Gott ist Freude.
Die wahre Wirklichkeit
ist eine einfache Einfachheit
und nicht komplex.
Komplexität
hatte niemals etwas mit
Wirklichkeit zu tun.
Kann Gott mit Energie gleichgesetzt werden?
Sri Chinmoy: Gott kann nicht nur mit Energie gleichgesetzt werden; Gott ist Energie. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, welcher Aspekt Gottes uns anspricht oder anzieht. Wenn uns Gott in Form von Energie anzieht, dann wird Gott in Form unbegrenzter Energie zu uns kommen. Gefällt Gott unserem Verstand und unserem Herzen hingegen in menschlicher Gestalt, dann wird Er als menschliches Wesen in lichtvoller Gestalt vor uns treten.
Wenn Sie vom „Supreme“ sprechen, beziehen Sie sich da auf Gott?
Sri Chinmoy: Ich verwende meistens das Wort „Supreme“, „Allerhöchster“, statt „Gott“. Auch meine Schüler bitte ich, dasselbe zu tun, da ich das Gefühl habe, dass es uns eine innigere Beziehung zu Ihm gibt. Obwohl Gott und der Supreme eins sind, gibt es einen feinen Unterschied zwischen den beiden Begriffen. Wenn wir von der Gottverwirklichung sprechen, ist „Gott“ gleichbedeutend mit dem Supreme. Gewöhnlich jedoch haben wir das Gefühl, dass Er eine statische Höhe verkörpert – wie ein Berg, der hoch, aber abgeflacht ist. Wenn wir den Begriff „Gott“ verwenden, haben wir das Gefühl, Er habe Seine Höhe erreicht und sei dann stehen geblieben. Hier entwickelt Er sich nicht weiter; Er ist etwas Vollendetes, wie ein fertiges Produkt.
Aber wenn wir „Supreme“ sagen, wissen wir, dass wir vom Allerhöchsten Herrn sprechen, der nicht nur das absolut Höchste erreicht hat, sondern ständig noch weiter und über alles Bestehende und Erreichte hinausgeht. Hier gibt es eine ständige Aufwärtsbewegung.
Er ist ewig und unsterblich.
Er ist in der Welt
und jenseits von ihr.
Er ist der Schöpfer –
zugleich allumfassend
und jenseits von allem.
Kann ein philosophischer Beweis für Gott erbracht werden, oder muss man sich hier ganz auf den Glauben verlassen?
Sri Chinmoy: Du musst dich auf deine Aufrichtigkeit verlassen. Wenn du etwas siehst, kannst du es als das anerkennen, was es ist, oder es als Sinnestäuschung bezeichnen. Ein spiritueller Meister, der in seinem höchsten Bewusstsein meditiert, anerbietet Frieden, Licht und Seligkeit in reichem Maße. Wenn du ihn beobachtest, wirst du sofort den Glanz des göttlichen Bewusstseins in ihm sehen. Sein Bewusstsein verändert sich in einem solchen Ausmaß, dass du unweigerlich bemerken wirst, dass er sich woanders aufhält. Sein Gesicht wird strahlen und du wirst etwas Besonderes in ihm erkennen.
Philosophie ist eine intellektuelle Angelegenheit, Spiritualität hingegen eine Sache des Herzens. Willst du Gott mit deinem Verstand definieren, so wird dir das niemals gelingen. Du musst Gott mit deinem Herzen sehen. Der beste Beweis für Gott ist dein eigenes Bewusstsein. Wenn du zu einem spirituellen Meister kommst und ein paar Minuten mit ihm meditierst, wirst du den Unterschied in deinem Bewusstsein bemerken. Dann lass deine Aufrichtigkeit den Unterschied bewerten!
Gott muss dich nicht
von Seiner Existenz überzeugen.
Überzeuge dich nur selbst davon,
dass du in die Welt kamst,
um Großes zu vollbringen
und tugendhaft zu sein.