Im gewöhnlichen menschlichen Leben gilt: „Man erntet, was man gesät hat.“ Das heißt, man versteht unter Gerechtigkeit: Wie du mir, so ich dir. Hat jemand ein Unrecht begangen, fühlen wir uns berechtigt, denjenigen einzuschüchtern, ihm zu drohen und ihn zu bestrafen. Doch diese Art von Gerechtigkeit steht auf der niedrigsten Stufe der menschlichen Entwicklung. Steigen wir eine Sprosse höher, wird Gerechtigkeit zu Vergebung. Wenn wir jemandem, der einen Fehler begangen hat, vergeben können, so ist diese Vergebung selbst Gerechtigkeit.
Göttliche Gerechtigkeit ist jederzeit bereit, uns zu helfen, zu inspirieren, anzuleiten und zu formen; dennoch haben wir vor göttlicher Gerechtigkeit genauso viel Angst wie vor menschlicher. Wenn wir einen Fehler machen, haben wir Angst, bloßgestellt zu werden. Das mag für menschliche Gerechtigkeit zutreffen, aber göttliche Gerechtigkeit wird uns niemals bloßstellen. Unseren ersten Fehler vergibt die göttliche Gerechtigkeit aus Barmherzigkeit. Beim zweiten Fehler schenkt sie uns noch mehr Barmherzigkeit, und unseren dritten Fehler erwidert sie mit unendlicher Barmherzigkeit. Sieht der Supreme aber letztlich, dass selbst Seine unendliche Barmherzigkeit das menschliche Problem nicht lösen kann, dann gebraucht Er Seine liebende, göttliche Autorität, Seine göttliche Macht.
Diese göttliche Macht ist keine zerstörerische, bedrohliche Kraft. Sie erweckt den spirituell hungrigen Löwen in jedem Menschen. Dieser Löwe schläft, obwohl er brüllen könnte. Er verkörpert unsere glühende Sehnsucht, die höchste Wahrheit zu sehen und zur absoluten Wirklichkeit zu werden.
Mein höchster Herr
hat mir heute versichert,
dass Sein Mitleid
keinen Heller kostet
und Seine Gerechtigkeit
an Nachgiebigkeit grenzt.
Nun möchte ich beide
in reichem Maße besitzen!
Wenn wir die höchste Bewusstseinsebene erreichen, stellt sich die Frage nach Bestrafung oder Vergebung nicht mehr. Dort ist alles nur eine Frage der Erleuchtung. Das höchste Selbst umfasst und verkörpert die gesamte Wirklichkeit. Ist ein Teil seines Daseins unerleuchtet, bestraft oder vergibt es nicht, sondern versucht auch diesen Teil seines Seins zu erleuchten. Betrachten wir die Welt von der höchsten Bewusstseinsebene aus, so fühlen wir, dass die unwissende, dunkle, unreine, unvollkommene Welt Erleuchtung braucht. Gerechtigkeit ist hier das Gefühl des Einsseins. Göttliche Gerechtigkeit ist die Umwandlung unseres eigenen unerleuchteten Daseins. Göttliche Gerechtigkeit ist Selbst-Erleuchtung.
Göttliche Gerechtigkeit ist nichts anderes als göttliche Vergebung. Menschliche Gerechtigkeit verlangt, dass ein Dieb bestraft wird. Sie beharrt darauf, dass sich dies so gehört, und es schenkt ihr große Befriedigung, diesen Menschen zu bestrafen. In göttlicher Gerechtigkeit jedoch ist ungeheures Mitleid verborgen, selbst wenn sie eine äußere Form annimmt. Verkündet der innere Richter der Welt, dass eine bestimmte Person schuldig ist, so bringt er gleichzeitig Licht in deren Verstand, um sie davor zu bewahren, erneut in die Unwissenheit einzutauchen. Göttliche Gerechtigkeit wird stets von innerem Mitleid und innerer Erleuchtung begleitet. Diese arbeiten zusammen, um zu verhindern, dass der Sucher wieder und wieder im Meer der Unwissenheit versinkt.
Menschliche Gerechtigkeit gibt dem Schuldigen nicht das Gefühl, dass ihn jemand anderer zu seiner Tat angestiftet haben könnte. Er hat dass Gefühl, immer allein verantwortlich gewesen zu sein. Göttliche Gerechtigkeit hingegen hilft dem Täter zu erkennen, dass nicht er es war, der das Unrecht verübte, sondern etwas anderes, das in ihm und durch ihn gehandelt hat: die Unwissenheit.
Wenn göttliche Gerechtigkeit am Werk ist, bereut der Mensch, dass er negativen Kräften erlaubt hat, in ihn einzudringen, um in ihm und durch ihn zu wirken. Er erkennt, dass es dumm war, jemand anderem Gewalt über sich zu geben, und sieht ein, dass er nur auf die göttliche Führung seiner eigenen Seele hören und danach handeln sollte.
Gottes Mitleid
vergibt uns;
Gottes Gerechtigkeit
erleuchtet uns.
Warum scheint es manchmal so, als ließe Gottes Gerechtigkeit nicht jedem Menschen die gleichen Gelegenheiten zuteil werden?
Sri Chinmoy: Beobachten wir, dass jemand weniger Frieden, Licht oder Glückseligkeit von Gott empfängt, so müssen wir fühlen, dass das, was der Supreme jedem Menschen gibt, von seiner Empfänglichkeit abhängt. Gott behandelt auch schwächere Menschen, die sich noch in einem früheren Entwicklungsstadium befinden, immer gerecht. Gleichzeitig ist Er auch voller Liebe für sie, aber Er möchte nicht, dass deren inneres Gefäß vorzeitig zerbricht. Wenn du also fragst: „Warum treibt Gott so ein ungerechtes Spiel? Warum schenkt Er einem Menschen so viel Frieden und Macht und einem anderem nicht?“, so ist die Antwort, dass Letzterer noch nicht dafür bereit ist. Was auch immer Gott einem Menschen zukommen lässt, es ist ein Zeichen Seiner Liebe. Er sagt: „Du bist mein Kind und das ist alles, was Ich dir zur Zeit geben kann. Es ist genau das, was du brauchst.“ Gäbe ihm der Supreme mehr, würde Er damit vielleicht den Fortschritt dieses Menschen aufhalten. Wer hingegen mehr bekommt, hat auch die Fähigkeit, es zu empfangen, zu verkörpern und zu erfüllen.
Im gewöhnlichen Leben erachten wir Gleichberechtigung als Gerechtigkeit. Im göttlichen Leben jedoch soll demjenigen, der die Fähigkeit besitzt, mehr Frieden, Licht und Glückseligkeit von oben zu empfangen, auch mehr gegeben werden. Es sollten zwar gleiche Vorrausetzungen geschaffen werden; besitzt du jedoch größere Fähigkeiten oder mehr Empfänglichkeit als ich, dann solltest du auch entsprechend schneller voranschreiten können und dich nicht meiner Geschwindigkeit anpassen müssen. Wartest du auf mich, wird Gottes Stunde auf dich warten müssen und du wirst dein Ziel nicht zu Gottes auserw
ählter Stunde erreichen. Diese Art der Gleichstellung ist kein Akt der Erleuchtung. Wenn deine Zeit gekommen ist, dann schreite voran! Gott hat mir die gleichen Gelegenheiten gegeben, aber du hast größere Fähigkeiten entwickelt. Darum konntest du mehr Licht empfangen und läufst nun schneller auf dein Ziel zu. Wenn mir Gott zu Seiner Stunde die Fähigkeit dazu gibt, werde auch ich das Ziel erreichen. Das ist göttliche Gerechtigkeit. Gott gibt uns fortwährend die gleichen Chancen, doch unsere individuellen Fähigkeiten, sie zu nützen, sind unterschiedlich.
Was macht Gottes Gerechtigkeit, wenn Eifersucht und Unreinheit vor Sein Gericht gebracht werden?
Sri Chinmoy: Gottes Gerechtigkeit ist nicht wie irdische Gerechtigkeit. Sie ist keine Bestrafung. Gott sagt nur: „Wie oft habe ich dir Gelegenheiten geboten und du hast die goldene Stunde nicht richtig genützt! Doch ich bin bereit, dir Gelegenheiten ohne Ende zu gewähren.“ Hier baut Gott auf Seine unendliche Geduld. Zuerst versucht Er unsere Eifersucht und Unreinheit durch Sein Licht zu erleuchten und sie in ein Gefühl des Einsseins und der Reinheit umzuwandeln. Will der Sucher dies jedoch gar nicht, so greift Gott zu einem anderen Mittel: Seiner Geduld. Sein erstes Mittel ist Weisheit. Geduld ist zwar auch eine Form von Weisheit und Weisheit ist auch Geduld, aber trennen wir die beiden.
Angenommen du bist selbstsüchtig. Gott sagt zu dir: „Wenn du dein selbstsüchtiges, ichbezogenes Leben aufgibst und beginnst, zu dienen und dich selbst zu geben, wird deine Eifersucht verschwinden. Sobald du dich nur mehr um Reinheit kümmerst, wird Unreinheit dich verlassen.“ Zuerst wird Gott alles tun, um dir diese Weisheit zu vermitteln. Versäumst du jedoch diese Gelegenheit, Gottes Weisheit zu empfangen, dann setzt Gott auf ein anderes Mittel: Seine Geduld. Er wird so lange zuwarten, bis du die Notwendigkeit der Läuterung und Umwandlung deiner Natur einsiehst.
Nach zehn, zwanzig oder auch fünfzig Jahren wird Er erneut versuchen, dich zu inspirieren. Gelingt es Ihm dieses Mal, ist es schön und gut; wenn nicht, wird wieder eine neue Gelegenheit kommen. So wird Er es immer wieder aufs Neue versuchen. Im Laufe der Zeit wird der Sucher den Forderungen seines inneren Wesens nachkommen. Dann wird Gottes Versprechen an Seine eigene Wirklichkeit erfüllt werden.
Mein höchster Herr,
Du vergibst mir
und gewährst mir eine neue Chance –
nicht weil ich Vergebung
verdient hätte,
sondern weil Du
die absolute Vollkommenheit
Deiner gesamten Schöpfung anstrebst.
Schließt göttliche Gerechtigkeit Druck aus?
Sri Chinmoy: Der Supreme mag zwar Druck ausüben, aber dabei handelt es sich nicht um menschlichen Druck. Jemanden zu schlagen, Autorität zu zeigen, Überlegenheit zu demonstrieren: all das bedeutet menschlicher Druck, menschliche Macht. Aber die Macht des Supreme wirkt auf andere Weise: Sein Druck liegt in der Dringlichkeit des Notwendigen. Angenommen, einem Sucher fehlt jede Intensität in seinem spirituellen Streben. Dann wird ihm der Supreme Intensität verleihen. Das könnte man nun Druck nennen, aber es ist kein Erzwingen. Wenn jemand lethargisch ist und sich im Tempo eines indischen Ochsenkarren vorwärts bewegen möchte, kommt Gott zu ihm und sagt: „Ich habe doch bereits den Düsenjet erfunden. Warum benützt du immer noch einen Ochsenkarren?“ In diesem Fall wird Gott Seine Kraft also so einsetzen, dass sie Intensität erzeugt. Diese Eindringlichkeit könnte man nun missverstehen. Wir könnten meinen, Gott zwinge uns dazu, voran zu schreiten; doch Er erweckt uns nur. Er sagt: „Schau, öffne deine Augen! Das ist die schnellste Art der Fortbewegung.“ Wenn Gott unser Bewusstsein erweckt, haben wir vielleicht das Gefühl, unter Druck gesetzt worden zu sein. Besitzen wir jedoch Aufrichtigkeit, Ergebenheit und Selbsthingabe, empfinden wir keinen Druck; wir fühlen nur, dass die Zeit für etwas gekommen war. Gott hat eine bestimmte Stunde ausgewählt, um uns zu erwecken.
Menschlicher Druck oder menschliche Macht beinhaltet Zwang. Sie möchte uns einschüchtern und drohen. Aber die Macht, die in göttlicher Gerechtigkeit liegt, verängstigt und droht uns nicht. Sie vergrößert nur die Intensität unseres spirituellen Strebens, sodass wir pfeilschnell unserem Ziel entgegen laufen können. Wenn Gott Seine Macht gebraucht und Druck ausübt, wird Er uns bitten oder dazu bewegen, in dem Tempo zum Ziel zu laufen, das Er vorgibt, und nicht in unserem eigenen Tempo. Ohne Identifikation mit Gottes Willen werden wir das in der Tat als Druck oder Zwang empfinden. Werden wir jedoch eins mit Ihm, kann es keinen Druck oder Zwang mehr geben.
Glaube mir, o ängstliches Herz,
Gott versteht nicht
zu strafen.
Gott versteht nur
zu erleuchten,
um die zahllosen Träume
und Visionen Seiner Ewigkeit
zu erfüllen.
In der Bibel heißt es, dass wir Gottes Gerechtigkeit fürchten sollen. Was ist Ihre Meinung dazu?
Sri Chinmoy: Verzeihen Sie mir, aber ich kann mich dieser Sichtweise nicht anschließen. Wir brauchen Gott und Seine Gerechtigkeit nicht zu fürchten. Wenn wir uns vor Gott fürchten, werden wir Ihn niemals erreichen oder etwas von Ihm empfangen können. Fürchtet sich ein Kind vor seinem Vater, so wird es von ihm nichts annehmen können; es wird nicht einmal zu ihm wagen. Sobald es sieht, wie groß und mächtig sein Vater ist, wird es sich nicht mehr hintrauen. Liebt das Kind aber seinen Vater, so fühlt es, dass er seine Stärke und Macht nicht benutzen dazu wird, es zu schlagen, sondern um es im Gegenteil zu beschützen, wenn es in Gefahr ist. Es fühlt, dass der Vater mit seiner Macht ganz auf seiner Seite steht.
Sich Gott in Angst oder über Angst anzunähern, ist sehr schädlich. Wir sollten Gott nur lieben und erkennen, dass alles, was unser Vater besitzt, auch uns gehört. Leider sind wir noch Kinder, so dass unser Vater uns noch nicht alles geben kann. Ein Vater gibt sein riesiges Vermögen nicht einem Kind. Wird das Kind aber erwachsen, bekommt es alles, was sein Vater hat und was er ist. Beginnen wir Gott innig zu lieben, wird Er uns alles geben.
Fürchte dich nicht!
Wer Angst hat,
kann Gottes Mitleidsauge
und Seine Vergebungsfüße
nur aus der Ferne genießen.
Wird ein Kind plötzlich von seiner Mutter gerufen, während es im Dreck spielt, so hat es keine Angst, dass seine Mutter es schlagen wird, weil es schmutzig ist. Es läuft zu seiner Mutter, die den Schmutz ihres Kindes sofort als ihren eigenen betrachten wird. Sie wird es waschen und so den Menschen zeigen, dass ihr Kind so sauber ist wie sie. Auf die gleiche Weise müssen wir uns auch Gott nähern. So viele Fehler wir auch begehen mögen – wir können zu Ihm laufen mit dem Gefühl, dass Er uns in Seinem Mitleid auf der Stelle rein machen wird.
Zwingt Gott die Menschen dazu, auf Ihn zu hören?
Sri Chinmoy: Gott ist unendlich weiser als wir. Wir Menschen, die viel weniger Macht als Gott besitzen, versuchen manchmal, anderen etwas aufzuzwingen, das sie gar nicht wollen. Doch Gott zwingt niemanden zu irgendetwas, weil Er weiß, dass uns damit die höchste Freude versagt bliebe.
Du kannst jemanden zum Essen zwingen; innerlich jedoch wird er dich dafür verfluchen. Gott sagt nur: „Mein Kind, ich rate dir zu deinem eigenen Vorteil, diese Speise zu essen. Sie wird dich nähren und stärken, um im Kampf gegen die Unwissenheit zu bestehen.“ Gott bietet uns Sein Licht, Seine innere Nahrung nur an, aber Er zwingt niemanden dazu, sie anzunehmen.
Gott überblickt gleichzeitig die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Er weiß, dass es richtig ist, uns unentwegt Seine Weisheit und Seine grenzenlose Geduld zu schenken. Menschen haben oft keine Geduld. Sie vermeinen richtig zu handeln, wenn sie ihr Kind schlagen und dazu zwingen, bestimmte Dinge zu tun. Aber Gott der Vater wird das nicht tun. Er wird nur grenzenloses Mitleid zeigen. Im Gegenzug wird Ihm Sein Kind mit der Zeit unendliche Dankbarkeit entgegenbringen. Das Kind wird das Mitleid empfangen und versuchen, sich seines Vaters würdig zu erweisen.
Welche Macht besitzt doch ein Richter, wenn er im Amt ist! Im Kreise seiner Familie jedoch kann derselbe Mann nicht mehr die gleiche Macht ausüben. Sein eigener Sohn mag nicht auf ihn hören. Der Richter und der Vater sind ein und dieselbe Person. Am Gericht hört das ganze Land auf ihn, aber zu Hause lassen sich vielleicht seine eigenen Kinder nichts von ihm sagen.
In gleicher Weise verkörpert der Supreme im Himmel das absolut Höchste und transzendiert Sich gleichzeitig ständig. In der inneren Welt besitzt der Supreme die absolute, höchste Macht. Im Umgang mit Seinen Kindern hier auf der Erde jedoch lässt Er unendliche Geduld walten. Er wird eins mit ihrer Unwissenheit und sagt: „Na gut, wenn ihr mir nicht gehorchen und diese dummen Spielchen mit mir treiben wollt, dann spiele ich eben eine Weile mit.“
Auf der Erde manifestiert Gott nicht nur Seine Macht, sondern auch alle Seine anderen Eigenschaften durch Liebe. Gott könnte Seine Macht gebrauchen, aber Er zieht es vor, Sich durch Liebe, Anteilnahme und Mitgefühl zu manifestieren.
Wenn du dein Herz öffnest,
wirst du fühlen, dass Gott
niemals streng mit dir sein kann,
ist doch Sein Mitleid
unendlich stärker
als Sein Gerechtigkeitslicht.
Wie lassen sich die Gesetze Gottes mit denen des Menschen vergleichen?
Sri Chinmoy: Gottes Gesetz gründet auf Seinem Mitleidslicht, die Gesetze der Menschen auf ihrer Urteilskraft. Wenn ich etwas falsch mache, versucht mich das menschliche Gesetz dafür zu bestrafen; aber Strafe ist keine endgültige Lösung. In Gottes Gesetz hingegen wird das Mitleid des Supreme meinem falschen Handeln auf den Grund gehen. Wenn ich zum Beispiel stehle, wird Er mir klar machen, dass dies ein Fehler ist und dass ich arbeiten sollte, um mir meinen Unterhalt auf ehrliche Weise zu verdienen.
Gottes Mitleid wirkt so, dass es uns hilft, uns zu ändern, während menschliche Gesetze die menschliche Natur niemals werden ändern können. Nur das erleuchtende göttliche Gesetz kann die menschliche Natur ändern und umwandeln. Menschliche Gesetze sind die unmittelbare Antwort auf das, was du getan hast – eine Sache von Aktion und Reaktion. Das göttliche Gesetz hingegen geht der Unwissenheit auf den Grund und wandelt sie um.
Die Welt ist heutzutage voller Gewalt, Streit und Unvollkommenheit. Darum sagen viele Menschen, Gott sei auf die Welt böse. Glauben Sie, dass Gott auf die Welt böse ist, oder ist Er mit ihr zufrieden?
Sri Chinmoy: Wenn wir an Gott als Mitleid, als Liebe denken, fühlen wir sofort, dass Gott mit uns zufrieden ist. Denken wir an Ihn jedoch als Gerechtigkeit, haben wir das Gefühl, Er sei aufgrund unserer Unvollkommenheiten, Streitereien und Auseinandersetzungen mit uns unzufrieden. Wenn wir tiefer gehen, fühlen wir, dass Gott reine Liebe ist und dass Seine Liebe überall ist und alles durchdringt. Seine Liebe durchdringt Himmel und Erde.
Gott ist Glückseligkeit. Die Schöpfung ist der Glückseligkeit entsprungen, in der Glückseligkeit dauert sie fort und in die Glückseligkeit wird jede einzelne Seele eines Tages eingehen. Wenn nun Gott reine Glückseligkeit ist und in der Glückseligkeit lebt, dann kann Er nicht böse auf die Schöpfung sein. Wenn jemand voller Freude, wahrer Freude ist, hat er an nichts und niemandem etwas auszusetzen.
Letzten Endes erkennen wir, dass nicht wir es sind, die etwas tun. Gott ist der Handelnde und die Handlung, und Er ist es auch, der die Erfahrungen macht, die überall gemacht werden. Gott das Mitleid ist nicht böse auf uns. Gott die Liebe ist nicht unzufrieden mit uns, da Er es ist, der in und durch uns handelt. Er ist die Erfahrung und Er ist der Erfahrende.
Selbst wenn Gottes Gerechtigkeit
auf uns herabkommt,
ist sie doch insgeheim
von Seinem Mitleid begleitet.