O höchste Liebe meines Lebens,
unermüdlich flehe ich Dich an,
mir heute zu vergeben.
O Mächtiger, o Wirklichkeits-Erlösung der Welt,
möge ich gänzlich erweckt werden
in der Reinheit
verheißungsvoller Dämmerung.
Wie kann ich Gottes Vergebung erlangen?
Sri Chinmoy: Du kannst Gottes Vergebung nur erlangen, indem du dir bewusst und ständig vergegenwärtigst, dass Gott die Vergebung selbst ist. Denke nicht an Gott als Gerechtigkeit, unendliches Licht oder Frieden. Denke an keinen anderen Aspekt Gottes als an Seine Vergebung, an Gott die Vergebung. Du musst deinen Verstand und dein Herz mit einem einzigen Gedanken überschwemmen: Vergebung, Vergebung, Vergebung. Anstatt an Gottes Gerechtigkeitslicht zu denken, wiederhole einfach den Satz: „Mein Herr ist reine Vergebung, mein Herr ist reine Vergebung.“ Denke dabei nicht an die zahllosen Fehler, die du begangen hast. Versuche nur die positive Seite zu sehen und an Gottes Vergebung vor dir, um dich herum und in dir zu denken. Wenn du Hunderte und Tausende Male äußerst seelenvoll wiederholen kannst: „Mein Herr ist reine Vergebung“, werden selbst deine gröbsten Schnitzer weggewaschen. All die Fehler, die du im Laufe der Jahre begangen hast, werden aufgehoben sein.
Zu diesem Zeitpunkt wirst du nicht nur fühlen, dass dir vergeben wurde, sondern dass du selbst Gottes Vergebung bist. Wenn dich jemand nach deinem Namen fragt, wirst du antworten: „Mein Name ist die Vergebung meines Herrn.“ Fragt dich jemand, wer du bist, wird deine Antwort sein: „Ich bin die Vergebung meines Herrn.“ Das wird deine einzige Auszeichnung sein. Im gewöhnlichen Leben besitzen die Menschen die verschiedensten Auszeichnungen – Universitätsabschlüsse, Titel und so weiter. Einem spirituellen Sucher jedoch wird eine einzige Auszeichnung genügen: sagen zu können, „ich bin die Vergebung meines Herrn“ oder „ich bin das Mitleid meines Herrn“ oder „ich bin die Liebe meines Herrn.“ Wenn dich jemand nach deinen Auszeichnungen fragt, wirst du sofort antworten: „Das Mitleid meines Herrn ist meine einzige Auszeichnung“ oder „die Vergebung meines Herrn ist meine einzige Auszeichnung.“ Das ist keine falsche Bescheidenheit, denn tief in deinem Herzen wirst du dies auch wirklich fühlen. Alle spirituellen Sucher sollten so empfinden.
Mein Herr,
in meinem äußeren Leben
werde ich Deiner
Mitleidsflut gewahr;
in meinem inneren Leben
werde ich Deines
Vergebungsmeeres gewahr.
Sollten wir zu Gott um Vergebung beten?
Sri Chinmoy: Wenn du einen Fehler machst, sei es nun bewusst oder unbewusst, solltest du sofort um Vergebung bitten. Wenn du den Supreme nicht um Vergebung bittest, verstärken sich deine negativen Eigenschaften. Mit all deinem Streben, deinen Gebeten, deiner Meditation, deiner Hingabe und deinem Einssein mit Gottes Willen musst du Gott bitten, dir alle deine bewussten und unbewussten Fehler zu vergeben. Bitte Ihn darum, deine unbewussten Fehler zu erleuchten, damit du ihrer gewahr wirst und so lernst, sie zu vermeiden. Wenn deine Fehler nicht vergeben werden, dann können dein Herz, dein Körper, deine Lebenskraft und dein Verstand niemals geläutert werden und du wirst in diesen Teilen deines Wesens von Gott nichts empfangen können. Die Seele empfängt ständig von Gott, da die Seele immer rein ist. Das Herz jedoch ist nicht immer rein und der Körper, die Lebenskraft und der Verstand sind ein einziges Dickicht. Ohne Vergebung können Körper, Lebenskraft, Verstand und Herz nicht geläutert werden und wenn dort keine Reinheit vorhanden ist, werden die göttlichen Kräfte, nach denen du dich sehnst, niemals dauerhaft in dein Leben einziehen können. Nur wenn dir Gott deine Fehler vergibt und dein ganzes Bewusstsein rein wird, wirst du deine Empfänglichkeit vergrößern und Gottes göttliche Eigenschaften in reichem Maße aufnehmen können.
Das Beste ist, den Supreme jeden Abend, bevor du zu Bett gehst, für die Dinge, die du falsch gemacht hast, um Vergebung zu bitten – nicht im Sinne der christlichen Philosophie, die besagt, dass wir alle Sünder sind. Nein, ich spreche allein von den bewussten und unbewussten Fehlern, die du in deinem Alltag machst. Bitte den Supreme, sie zu verzeihen und zu erleuchten. Wahre Vergebung, Erleuchtung und Läuterung gehen immer Hand in Hand.
Heute werde ich unermüdlich
und flehentlich darum bitten,
das in süßer Vergebung leuchtende Auge
meines Herrn zu schauen.
Der Supreme erleuchtet die Vergangenheit durch Vergebung. Wahre Vergebung bedeutet Vergessen, bewusstes Vergessen. Wenn dir jemand etwas, das du angestellt hast, wirklich vergibt, wird er die Erinnerung daran nicht einmal in seinem tiefsten Inneren behalten. Dunkelheit braucht Erleuchtung. Fehler sind Dunkelheit. So erleuchtet der Supreme unsere Fehler, indem Er sie vergibt.
Du, der du mir all meine Fehler vergibst,
vergib mir erneut!
Eine neue Hoffnung
ist in meinem Herzen geboren:
Von heute an will ich
in die strahlende Glückseligkeit der
Vollkommenheit hineinwachsen.
Wird jemand, der Gott als reine Vergebung betrachtet, nicht dazu neigen, mehr Fehler zu begehen?
Sri Chinmoy: Du meinst, wenn jemand zu seinem Vater kommt, nachdem er etwas angestellt hat, und sieht, dass ihm verziehen wird, er versucht sei, weiterhin Fehler zu begehen in dem Bewusstsein, dass ihm ohnehin wieder vergeben wird? Doch selbst der irdische Vater – ganz zu schweigen vom göttlichen Vater, dem allmächtigen Vater – sagt zu seinem Kind: „Schau, du hast einen Fehler gemacht; du hast ein anderes Kind geschlagen. Weil ich dich so liebe, habe ich dir verziehen. Aber du darfst solche schlimmen Dinge nicht mehr machen.“ Wenn das Kind nun noch einmal ein anderes Kind schlägt und wieder zu seinem Vater läuft, wird dieser es erneut beschützen. Danach wird er es jedoch beiseite nehmen und ihm in aller Ruhe sagen: „Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass ich dir den Unterschied zwischen Gut und Böse erkläre.“ Jedes Mal wird der Vater vergeben, aber gleichzeitig wird er auch versuchen, das Kind davon zu überzeugen, dass es einen Fehler gemacht hat.
Mit dem göttlichen Vater hingegen verhält es sich anders. Wenn ein Sucher einen Fehler begeht und danach zu seinem göttlichen Vater kommt, wird ihm dieser zweifellos vergeben und ihn beschützen. Anschließend jedoch wird er sofort versuchen, mit Licht in das Herz des Suchers zu dringen. Der menschliche Vater wird heimlich schimpfen, nicht aber der göttliche Vater. Er weiß, dass Schimpfen nichts bringt. Er versucht herauszufinden, was mit dem Sucher nicht stimmt. Er erkennt die Dunkelheit, die Unwissenheit in ihm und sagt: „Wenn ich mit Licht in den Sucher eintrete, wird dieses die Dunkelheit vertreiben. Daraufhin wird das Licht die Unwissenheit erleuchten und sie in Wissen und Weisheit verwandeln. Diese Weisheit wird den Sucher einsehen lassen, dass er friedvoll, ruhig und still bleiben und mit niemandem in Konflikt geraten sollte.“ Dies erreicht der göttliche Vater, indem Er den Sucher mit Licht überflutet.
Der menschliche Vater beschützt offen und schimpft im Geheimen, doch der göttliche Vater benützt reines Licht, um unsere Dunkelheit zu erleuchten und die falschen Kräfte in uns zu vertreiben. In beiden Fällen wird die Versuchung überwunden. Der irdische Vater überwindet sie durch strenge Disziplin, der göttliche Vater durch Licht.
Wenn ich einen Fehler begangen habe und den Supreme bitte, mir zu vergeben – wie weiß ich dann, ob Er mir tatsächlich verziehen hat?
Sri Chinmoy: Man kann dies auf zwei Arten herausfinden. Wenn du diesen Fehler nie wieder machst, kannst du sicher sein, dass der Supreme dir vergeben hat, da Er dir die Fähigkeit dazu gegeben hat. Praktisch gesehen bedeutet das, wenn du einen Fehler begangen hast, ihn aber nicht wiederholen möchtest, ist eine höhere Kraft vom Supreme herabgekommen, um dich zu beschützen und dir die Fähigkeit zu geben, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Da der Supreme dir verziehen hat, machst du den Fehler nicht noch einmal.
Der andere Weg besteht darin, deinen spirituellen Meister zu fragen, ob dir der Supreme vergeben hat. Der Meister kann es dir sagen und er wird sehr ehrlich mit dir sein. Oder du gehst selbst eine halbe oder ganze Stunde tief nach innen. Dann wirst du fähig sein, es selbst herauszufinden. Wenn ein Gedanke kommt, lass ihn nicht in deinen Verstand. Stell dir vor, dass eine Fliege gekommen ist, um sich auf dir niederzulassen, und jage sie weg. Kommt der nächste Gedanke, verjage auch diesen. Nach einiger Zeit wird es die Gedankenfliege unter ihrer Würde finden, dich zu ärgern, und der Gedankenstrom versiegt. Sobald du merkst, dass sich kein Gedanke mehr einstellt, dann stelle einfach deine Frage. Ist die Antwort „Ja“, so bedeutet das, dass der Supreme dir vergeben hat.
Es gibt zwei Möglichkeiten,
Vergebung zu erlangen.
Die eine besteht darin, Gott zu versichern:
„Mein Herr,
ich werde es nicht wieder tun!“
Die andere besteht darin, Gott zu bitten:
„Mein Herr,
bitte lehre mich, bewusst
in Dir und für Dich zu leben.“
Wie können wir Ungerechtigkeiten vergeben?
Sri Chinmoy: Als wir auf die Erde kamen, gaben wir Gott unser aufrichtiges, seelenvolles und feierliches Versprechen, Gott auf Erden zu verwirklichen, zu manifestieren und zu erfüllen. Zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns in der Seelenwelt; unsere wahre Existenz war die Seele. Wir sagten: „Ich komme einzig auf die Erde, um Dich bedingungslos zufrieden zu stellen, zu erfüllen und zu manifestieren.“ Es mag stimmen, dass die Menschen, die du für sehr ungerecht hältst, etwas Ungöttliches getan haben. Aber wie steht es um dein eigenes Versprechen? Dennoch erwartest von anderen Vollkommenheit; du meinst, sie müssten alles auf vollkommene Weise tun.
Vollkommenheit erreichen wir nur, indem wir unser Versprechen erfüllen. Unser erstes und vorrangiges Versprechen an Gott war, Ihn zufrieden zu stellen und auf Erden zu erfüllen. Wir haben unser Versprechen nicht gehalten. Trotzdem erwarten wir von anderen, dass sie ihre Versprechen halten. Wir haben Millionen von Fehlern begangen und natürlich hat uns Gott dafür vergeben; sonst könnten wir auf der Erde gar nicht mehr existieren. Wenn Er bereit ist, uns unsere zahllosen Fehler und Unvollkommenheiten zu vergeben, warum können wir dann nicht auch unseren Mitmenschen vergeben?
Meinem Leben wurde von Gott verziehen;
darum fühlt sich mein Herz verpflichtet,
der Welt um mich herum
zu verzeihen.
Als spirituelle Sucher halten wir uns für Gottes auserwählte Kinder. Wer innerlich nicht emporstrebt und weiter in der Unwissenheit lebt, würde es niemals wagen, Gott sein Eigen zu nennen. Wir aber tun es, weil wir einen Funken von Gottes guten Eigenschaften empfangen haben. Eine von diesen göttlichen Eigenschaften ist Seine Vergebung. Wenn uns Gott vierundzwanzig Stunden am Tag vergibt, können wir da jemand anderem nicht wenigstens eine Sekunde lang vergeben? Wenn unser Ursprung etwas in unbegrenztem Maße zu vollbringen vermag, sollten auch wir fähig sein, anderen Menschen, die etwas falsch gemacht haben, unseren eigenen Fähigkeiten entsprechend zu vergeben und ihnen Licht zu schenken.
Wirst du denn jemals begreifen,
dass alle Fehler in deinem Leben
unausweichlich
von Gottes Vergebung
gefolgt werden?