Spirituelles Streben sagt mir,
mein Gott sei meine
Mitleids-Mutter.
Verwirklichung sagt mir,
mein Gott sei mein
Befreiungs-Vater.
Einssein mit Gott sagt mir,
mein Gott sei mein
Vollkommenheits-Freund.
Gott ist zugleich unser göttlicher Vater und unsere göttliche Mutter. Im Westen steht Gott der Vater an erster Stelle, während im Osten, besonders in Indien, Gott die Mutter zuerst kommt. Sowohl der Osten als auch der Westen haben Recht. Wenn wir Gott den Vater verwirklichen, werden wir unweigerlich auch Gott die Mutter in Ihm sehen. Verwirklichen wir hingegen Gott die Mutter, sehen wir auch Gott den Vater in Ihr.
Wenn wir uns Gott dem Vater nähern, fühlen wir Seine Weisheit, Sein inneres Licht, Seine Weite. Nähern wir uns Gott der Mutter, so fühlen wir Ihre unendliche Liebe, Ihr unendliches Mitgefühl, Ihre unendliche Fürsorge. Das bedeutet nicht, dass Gott der Vater kein Mitgefühl hätte. Er besitzt es genauso, aber Gott drückt Liebe, Mitgefühl und Fürsorge mehr durch die weibliche als durch die männliche Form aus. In der männlichen Form hingegen schenkt Er uns Weisheit, Licht und Weite.
Jede dieser göttlichen Qualitäten – Liebe, Mitleid, Fürsorge, Weite, Licht und Weisheit – spielt eine sehr bedeutsame Rolle im Leben jeder aufstrebenden Seele. Wenn wir in der Tiefe unseres Herzens Gottes Liebe, Fürsorge, Mitleid, Weisheit, Licht und Weite spüren, können wir sicher sein, dass der unerfüllte Mensch von heute schon bald zum verwirklichten, erfüllten und manifestierten Gott von morgen werden wird.
Was macht eine Mutter, wenn sie die Unzulänglichkeiten, Fehler und Schwächen ihres Kindes bemerkt? Sie versucht sie sorgsam zu verbergen und geheim zu halten. Nie wird es ihr in den Sinn kommen, ihr eigenes Kind vor der Welt bloßzustellen.
Genauso wird die göttliche Mutter, die noch unendlich liebevoller und barmherziger ist als jede menschliche Mutter, ihr Kind niemals bloßstellen. Wie eine menschliche Mutter wird auch Sie die zahllosen Unzulänglichkeiten Ihres Kindes vor anderen Menschen verbergen. Anschließend wird Sie ihr Kind auf seine Schwächen aufmerksam machen, um es davor zu bewahren, dieselben Fehler immer wieder zu machen, denn sonst würde seine Gottverwirklichung immer in weiter Ferne bleiben. Wenn Sie das Kind auf seine Fehler und seine Unwissenheit aufmerksam macht, so tut Sie dies mit den besten Absichten, damit es zwischen einem Leben der Unwissenheit und einem Leben der Weisheit unterscheiden lernt.
Die göttliche Mutter zögert nicht. Sie trägt Ihr Kind einen Schritt weiter. Sie verwandelt des Kindes Unwissenheit in Weisheit. Sie verwandelt seine Schwäche in Stärke. Sie verwandelt sein Leben der Dunkelheit in ein Leben des Lichts.
Sie sprechen von Gott häufig als „Er“, aber ich betrachte Ihn als reinen Geist.
Sri Chinmoy: Ein Kind sagt zu seinem Vater „Papa“, während des Vaters Freunde oder Verwandte ihn bei einem anderen Namen nennen und seine Arbeitskollegen vielleicht bei einem weiteren. Trotzdem handelt es sich um ein und denselben Menschen. So kann auch jeder Sucher einen eigenen Namen für Gott haben. Es ist nur eine Frage der persönlichen Vorliebe.
Wenn ich von Gott als „Er“ spreche, verleugne ich damit in keiner Weise Gott die Göttliche Mutter. Gott ist Mutter, Gott ist Vater. Gott ist Licht, Gott ist Frieden, Gott ist unendliche Energie. Wenn ich von Gott als „Er“ spreche, schränke ich Ihn dadurch nicht ein. Gott wird mit allem erscheinen, was Er ist, ob ich Ihn nun Vater, Mutter oder Brahma nenne. Für Ihn spielt es keine Rolle, welchen Namen wir verwenden, solange unser Ruf nur aufrichtig ist. Er erscheint dann einfach, um auf den Ruf Seines Kindes zu antworten.
Dein geliebter Supreme
steht nicht mit einer Peitsche vor dir,
um dich zu schlagen,
sobald du einen Fehler machst.
Nicht im Geringsten!
Durch das Licht deines Gehorsams
wirst du eines Tages
das Entzücken Seines Einsseins mit dir
erfahren.
Was ist besser – Gott als Vater oder als Mutter zu betrachten?
Sri Chinmoy: So wie die Seele ist auch Gott weder männlich noch weiblich. Diese Begriffe gibt es nur im Verstand. Auf der höchsten Ebene gibt es nur Gott. Trotzdem kann jeder Sucher Gott so sehen und so mit Ihm sprechen, wie er will. Wenn ihm Seine mütterlichen Qualitäten am Herzen liegen, wird er sich Gott der Mutter zuwenden. Doch Mutter und Vater sind immer eins. Wenn wir zu Gott der Mutter kommen, ist es wie bei einer menschlichen Mutter: selbst wenn ihr Sohn sechzig Jahre alt ist, wird sie ihn immer noch als Kind betrachten. Sie wird ihm überwältigende Zuneigung, Liebe, Anteilnahme und Mitleid entgegenbringen und ihm alles auf einmal geben wollen.
Auch der Vater besitzt grenzenlose Liebe und Anteilnahme, aber er ist praktischer veranlagt; er will das Kind nicht verhätscheln. Er hat Sorge, dass das Kind den Reichtum der Familie verschwenden könnte. Erst wenn das Kind reifer und verantwortungsbewusster geworden ist, wird er ihm Geld geben. Die Mutter jedoch will dem Kind all ihren Reichtum geben, einfach weil es ihr Kind ist. Sie denkt: „Auch wenn es das Geld sinnlos ausgibt – wir haben ja genug.“
Auf Gott die Mutter zuzugehen, ist immer der einfachere und schnellere Weg. Wenn das Kind schreit, kommt die Mutter sofort. Die Verwirklichung bleibt jedoch dieselbe, ob wir uns nun Gott der Mutter oder Gott dem Vater hinwenden.
Gott der Vater
beschützt den Sucher.
Gott die Mutter
nährt den Sucher.
Kann Gott auch als Kind gesehen werden?
Sri Chinmoy: Wenn wir glauben, Gott sei wie ein alter Mann, ein Großvater oder Urgroßvater, der ständig auf unseren Fehlern und Vergehen herumreitet, irren wir uns. Wir sollten den allwissenden, allmächtigen und allgegenwärtigen Gott als wahren Freund und Kameraden für die Ewigkeit ansehen. Wir sollten fühlen, dass wir alle Kinder sind und Gott unser Alter hat. In Bezug auf unsere Verwirklichung sind wir alle Kinder, denn unser Ziel ist unendliches Licht und unendliche Seligkeit, dem wir uns erst nähern müssen.
Ein Kind schreit nach dir
im Innern deines Herzens.
Kennst du seinen Namen?
Seele.
Ein Kind wartet auf dich
in der Liebe deiner Seele.
Kennst du seinen Namen?
Gott.
Wenn wir ehrlich mit uns sind und erkennen, dass wir alle Anfänger sind, Kinder, dann können wir fühlen, dass Gott als Kind zu uns kommt, um mit uns zu spielen. Erwachsene spielen nicht gern, aber ein Kind möchte ununterbrochen und überall spielen. Wenn es uns wichtig ist, immer ein Kind zu bleiben, dann kann Gott zu uns in Gestalt eines Kindes kommen. Ewig spielt Er in Seinem immerwährenden Garten. Heute spielt Er mit unseren Wünschen, morgen mit unserem Emporstreben und übermorgen mit unserer Verwirklichung.
Wenn wir uns bewusst konzentrieren und bewusst beten und meditieren, blickt uns Gott neugierig an wie ein Kind. Er sieht, ob wir wirklich meditieren oder nicht. Es ist wie bei einem Kind, das durchs Fenster lugt, um zu sehen, was seine Eltern oder die anderen Erwachsenen machen. Sobald es ertappt wird, läuft es davon.
Gott, das Göttliche Kind, will mit uns Sein kosmisches Versteckspiel spielen. Wenn sich Gott versteckt, müssen wir Ihn suchen; wenn wir uns verstecken, kommt Gott und sucht nach uns. Auf diese Weise werden wir die besten Freunde, Freunde auf ewig. Würde Gott immer Seine Überlegenheit ausspielen und uns mit Seinem Wissen, Seiner Weisheit und Seiner inneren Schau sofort aufspüren, so würde das Spiel seinen Reiz verlieren. Wenn ein Spieler viel besser ist als die anderen und immer gewinnt, verlieren die anderen die Freude und möchten nicht mehr weiter spielen. Darum kommt Gott als Kind zu uns und blickt uns neugierig an.
Gott ist mein treuer Spielgefährte.
Darum segelt mein Herz
Seiner Stille-Heimat entgegen.
Wie kann ich den Supreme am leichtesten als meinen Freund sehen?
Sri Chinmoy: Manchmal sprichst du innerlich mit dir selbst oder mit einem Freund, der vielleicht hunderte Kilometer entfernt lebt. Auf der physischen Ebene kannst du ihn nicht sehen, aber seine Schwingung kannst du spüren. Versuche dir auf gleiche Weise vorzustellen, dass in dir ein ewiger Freund wohnt, und das ist der Supreme.
Wenn du auf der geistigen Ebene zu deinem menschlichen Freund sprichst, mag er es nicht vernehmen, aber der Supreme hört dich bestimmt. Wenn du fühlen kannst, dass dir Jemand zuhört, und wenn du Seine Gegenwart spüren kannst, ist deine Weise, mit dem Supreme zu sprechen, vollkommen.
Wenn dein Bewusstsein
tief in deinem Herzen verankert ist
und du unentwegt an Gott denkst,
werden sich all deine Probleme lösen,
selbst wenn du sie einfach ignorierst.
Das gilt natürlich nur für dich,
da du ein seelenvoller und
aufrichtiger Sucher bist.
Wenn ich Probleme habe, kann ich sie häufig nicht lösen. Auch meine Eltern und Freunde wissen nicht immer, was am besten wäre. Hilft es da, an den Supreme als meinen Freund zu denken und Ihn zu fragen, wie ich sie lösen soll?
Sri Chinmoy: Es gibt Jemanden, der weiß, was das Beste für uns ist, und das ist der Supreme. Der Supreme ist kein Hirngespinst. Wir werden Ihn sehen können, wir werden mit Ihm sprechen können, wir werden mit Ihm speisen können. Er ist nicht nur unser Vater, sondern auch unser ewiger Gefährte. Wir müssen Ihm die Verantwortung für uns übergeben. Wann immer sich uns ein Problem in den Weg stellt, müssen wir es dem Supreme übergeben, anstatt zu versuchen, es mit unseren eigenen beschränkten Fähigkeiten und unserer beschränkten Weisheit zu lösen. Seine Augen sehen klarer als unsere. Seine Ohren hören besser als unsere. Wir sprechen zu Menschen, die keine Zeit haben, uns zuzuhören, weil sie mit zahllosen Dingen in der äußeren Welt beschäftigt sind. Doch allzu oft vergessen wir, dass es Jemanden gibt, der Sich immer freut, von uns zu hören – selbst wenn wir nicht mit Ihm sprechen, sondern Selbstgespräche mit unserem eigenen Verstand oder unserem unzufriedenen Vitalen führen. Nur selten versuchen wir, uns mit unserem Inneren Wesen zu unterhalten. Sobald wir das Geheimnis der Zwiesprache mit unserem Inneren Wesen entdeckt haben, werden wir fähig sein, alle unsere Probleme zu lösen.
Wenn du treu zu Gott hältst
und Ihn als deinen einzigen Freund betrachtest,
wie kannst du da ernsthafte Probleme haben?
Unmöglich!
Mit dem Mitleids- und
Fürsorge-Himmel Seines Herzens
wird Er sich auch deiner
mentalen Probleme annehmen.