Der Wille Gottes entfaltet sich im Menschen fortwährend – wie ein Muskel, der immer stärker wird. Gottes Wille möchte den Menschen fühlen lassen, dass es etwas Dauerhaftes, Beständiges, Immerwährendes gibt. Wenn jemand dieses Stadium erreicht, wird er den Willen Gottes erkennen. Diesen Willen können wir an der bleibenden Erfüllung erkennen, die er uns schenkt.
Was immer unsterblich, ewig, göttlich ist, ist Gottes Wille. Obgleich Gott in der Ewigkeit lebt, schätzt Er eine Sekunde nicht gering; denn ausgehend von einer, zwei, drei Sekunden tauchen wir letztlich in die Unendlichkeit und Ewigkeit ein. Lasst uns darum versuchen, in jeder Sekunde den Willen Gottes in uns zu spüren.
Es gibt für uns eine sehr einfache Möglichkeit, um herauszufinden, was Gottes Wille ist. Jeden Tag, wenn wir unser Tagewerk beginnen, erschaffen wir uns unsere eigene Welt. Wir treffen Entscheidungen, erledigen Dinge auf eine bestimmte Weise und verkehren mit anderen Menschen so, wie wir es für richtig halten. Bei all diesen Dingen heißt es immer nur ich, ich, ich: Dieses muss ich sagen, jenes sollte ich tun, dieses möchte ich geben. Vermögen wir aber anstelle all dieses Planens unseren Verstand vollkommen ruhig und still zu machen, so können wir den Willen Gottes erfahren. Dabei handelt es sich nicht um Grabesstille, sondern um die dynamische, weiterführende Stille der Empfänglichkeit. In dieser vollkommenen Stille und der zunehmenden Aufnahmefähigkeit des Verstandes ist Gottes Wille erfahrbar.
Wenn der menschliche Verstand sehr aktiv ist, kann der göttliche Wille nicht wirken. Gottes Wille ist nur dann aktiv, wenn der menschliche Verstand nicht aktiv ist. Wird der Verstand zu einem reinen Gefäß, so kann ihn der Supreme mit Seinem unendlichen Frieden, Licht und Seiner unendlichen Glückseligkeit füllen.
Im Augenblick hören wir Gottes Stimme noch nicht. Wir mögen etwas in unserem Inneren vernehmen und es für Gottes Stimme halten, doch diese Stimme kann auch von unserem subtilen Körper, unserem subtilen Vitalen oder aus einer anderen Quelle stammen. Bringen wir jedoch unseren Geist zur Ruhe, so können wir eine leise Stimme in der Tiefe unseres Herzens oder über unserem Kopf vernehmen, und das ist die Stimme Gottes. Sobald wir Gottes Stimme vernehmen und jederzeit ihren Anweisungen folgen, können wir keine Fehler mehr machen. Dann werden wir ohne Unterlass nach vorne, nach oben und nach innen voranschreiten.
Wir erbauen ständig Gedankengebilde und zerstören sie wieder. Anstatt diese Gebilde jedoch nach unserem eigenen Willen zu errichten und wieder niederzureißen, sollten wir unseren Verstand leer, ruhig und friedvoll machen, damit Gott Seinen Tempel oder Seinen Palast in uns nach Seinen eigenen Plänen errichten kann. Und nachdem Er dies vollbracht hat, wird Er sagen: „Dieses Gebäude habe ich für uns beide erbaut, damit wir gemeinsam darin wohnen können. Ich mag zwar der Baumeister sein, aber es gehört nicht nur Mir allein, sondern auch dir. Tritt ein!“
Der einfachste Weg, den Willen Gottes zu erfahren, besteht darin, zu einem Instrument zu werden und nicht mehr selbst der Handelnde zu sein. Wenn wir zu einem bloßen Werkzeug werden, das Gottes Pläne ausführt, wird Gottes Wille in und durch uns handeln. Gott ist zugleich der Handelnde und die Handlung. Er ist alles. Wir beobachten nur.
Um den Willen Gottes
mühelos erkennen zu können,
müssen wir das Göttliche in uns
nähren
und das Menschliche in uns
erleuchten.
Wie kann ich in meinem Alltag Gottes Willen erfahren?
Sri Chinmoy: Du kannst Gottes Willen in deinem Alltag erfahren, wenn du Gott früh am Morgen deine äußerste Dankbarkeit für alles, was Er bereits für dich getan hat, schenkst. Wenn du dein Dankbarkeitsherz darbringst, dehnt es sich aus und wird eins mit Gottes universeller Wirklichkeit. Ein Dankbarkeitsherz erblüht wie eine Blume. Ist die Blume voll erblüht, erfreust du dich an ihr und bewunderst sie. Auch in deinem Fall ist Gott glücklich, sobald dein Herz der Dankbarkeit erblüht. Wenn du Gott deine Dankbarkeit für das, was Er bereits für dich getan hat, entgegenbringst, wird Gottes süßer Wille in dir und durch dich von allein wirksam werden. Bringe früh am Morgen, noch bevor du meditierst oder etwas anderes tust, so viel Dankbarkeit wie möglich dar. Vergieße seelenvolle Tränen darüber, dass du zu dem geworden bist, was du heute bist. Wenn du das tust, wirst du mit der Zeit unvergleichlich viel mehr werden, als du jetzt bist. Die Dankbarkeit wird dich also den Willen Gottes erfahren lassen. Wenn du Dankbarkeit darbringst, wird Gottes Wille in dir und durch dich wirken und Gott wird alles in dir, durch dich und für dich tun.
Wie kann ich herausfinden, was Gott von mir möchte?
Sri Chinmoy: Du kannst es leicht herausfinden, wenn du vom Resultat deiner Handlung losgelöst bist und dich im Erfolgsfall nicht abgehoben fühlst. Bevor du etwas tust, bete zu Gott: „Gott, wenn es Dein Wille ist, dann inspiriere mich bitte dazu, meine Sache gut zu machen.“ Während du an etwas arbeitest, sage Ihm: „Gott, da ich diese Aufgabe in dem Bewusstsein angenommen habe, dass Du dies von mir willst, arbeite nun bitte in mir und durch mich, damit ich sie gut erledigen kann. Deine Inspiration wird für mich das Zeichen sein, dass es Dein Wille ist, der wirkt.“ Und ob du nun Erfolg hast oder nicht, lege nach Beendigung der Arbeit das Ergebnis mit derselben Freude Gott zu Füßen.
Wie weiß ich, ob ich Gottes Willen ausführe oder meinem eigenen Ego folge?
Sri Chinmoy: Sobald du den Forderungen deines Egos nachkommst, glaubst du, der Herr der Welt zu sein oder zu werden. Du bist du von Stolz erfüllt. Du hast das Gefühl, die Welt liege dir zu Füßen. Sobald sich einer deiner Wünsche erfüllt hat, denkst du: „Ah, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Jetzt bin ich jemand und der Rest der Welt wird niemals an meine Errungenschaften herankommen.“ Mit der Befriedigung des Egos geht immer auch ein Gefühl der Überlegenheit einher.
Handelst du hingegen nach dem Willen Gottes, stellt sich die Frage von Überlegenheit und Unterlegenheit gar nicht. Dann fühlst du lediglich dein Einssein. Du spürst, dass Gott dich als Sein auserwähltes Instrument auserkoren oder angenommen hat, um in dir und durch dich zu handeln. Und was auch immer du erreichen magst – und sei es noch so großartig, außergewöhnlich und herausragend – du wirst niemals irgendeinen persönlichen Stolz empfinden. Im Gegenteil, du wirst Gott äußerst dankbar dafür sein, dass Er beschlossen hat, sich in dir und durch dich zu erfüllen. Es wird kein Stolz vorhanden sein, dafür aber ein Gefühl von Ausdehnung.
Den Willen Gottes auszuführen bedeutet, etwas zu erreichen. Wenn du etwas erreichst, erfährst du eine Erweiterung deines Bewusstseins. Erfüllst du hingegen die Forderungen deines Egos, fühlst du dich vom Rest der Welt völlig abgeschnitten. Du bist der Herrscher und der Rest der Schöpfung liegt dir zu Füßen. So kannst du den Unterschied zwischen den beiden Fällen erkennen.
Hingabe an den Willen Gottes
ist zweifellos eine Frucht,
die zwar langsam heranreift,
aber umso köstlicher schmeckt.
Sollten wir für die Erfüllung unserer Wünsche beten oder einfach nur darum, dass Gottes Wille geschehen möge?
Sri Chinmoy: Die höchste Form des Gebets besteht darin, für die Erfüllung von Gottes Willen zu beten. Zu Beginn seines spirituellen Lebens ist es für einen Sucher jedoch fast unmöglich, Gott aufrichtig darum zu bitten, ihn auf Gottes eigene Weise zu erfüllen. Früh am Morgen wird er noch beten: „Gott, mach mich zu Deinem sich bedingungslos hingebenden Kind.“ Im nächsten Moment jedoch kommen Eifersucht, Unsicherheit oder Stolz ins Spiel und plötzlich knüpft er seine Selbsthingabe an Bedingungen. Nun behauptet der Sucher: „Gott, heute Morgen habe ich Dich doch so aufrichtig darum gebeten, Deinen Willen in mir zu erfüllen, aber Du hast mein Gebet nicht erhört. Andernfalls wäre ich doch über alle Zweifel, Eifersucht, Angst, Sorgen und Bindungen völlig erhaben.“
Wenn der Sucher am Morgen um etwas bittet, sich sein Gebet aber nicht innerhalb weniger Stunden erfüllt, ist er sofort entmutigt. Anschließend meditiert er sechs Monate lang überhaupt nicht mehr. Einen Tag lang betet er aufrichtig und danach ist er bereit, sechs Monate lang die Freuden der Unwissenheit zu genießen. Zu Beginn ist es für einen Sucher also immer ratsam, Gott um das zu bitten, von dem er meint, dass er es gerade am dringendsten benötigt, seien es nun Geduld, Reinheit, Aufrichtigkeit, Demut oder Frieden. Daraufhin wird ihn Gott mit Frieden, Licht und Glückseligkeit überfluten, die allesamt Vorboten von etwas Unendlichem sind, das mit der Zeit in seinem inneren Wesen Einzug halten wird. Sobald er einmal ein wenig Frieden, Licht und Glückseligkeit empfangen und erreicht hat und sein Inneres etwas gefestigt ist, wird er Vertrauen in Gottes Handlungsweise und in sein eigenes Leben der spirituellen Strebsamkeit gewinnen.
Wer sehr schnell inneren Fortschritt macht oder bereits weiter fortgeschritten ist, der spürt, dass es in seinem eigenen Inneren eine Wirklichkeit gibt, die ihn nie enttäuschen oder verlassen wird. Er fühlt, dass Gott seine Bedürfnisse genau kennt und nur darauf wartet, sie zu befriedigen, da Gott Sich in Seinem und durch Sein auserwähltes Instrument erfüllen möchte. Und zu Seiner auserwählten Stunde wird Gott dies auch tun.
Wenn ein Sucher zu dieser Überzeugung gelangt ist, dann ist es für ihn an der Zeit zu beten: „Dein Wille geschehe!“ Zu diesem Zeitpunkt kann er aufrichtig sagen: „Gott, nun möchte ich Dich nur mehr auf Deine eigene Weise zufrieden stellen.“ Er wird fühlen, dass Gott Sich in ihm und durch ihn manifestieren möchte und dass er fähig sein wird, dem Göttlichen in der Menschheit zu dienen, wenn Gott ihm Vollkommenheit schenkt.
Was hältst Du davon, Gott um Heilkräfte zu bitten, wenn ein Familienangehöriger erkrankt ist?
Sri Chinmoy: Angenommen, deine Mutter ist krank. Viele Menschen würden nun beten: „Heile meine Mutter, heile meine Mutter!“ Wenn du aber stattdessen sagen kannst: „Ich lege meine Mutter Gott zu Füßen“, so tust du das Beste. Deine Mutter Gott zu Füßen zu legen, ist das Beste, was du zu ihrer Heilung beitragen kannst, denn nur Gott weiß, was das Beste für sie ist.
Wenn du deinen eigenen Willen Gott darbringst, bekommst du Kraft, und diese Kraft kannst du wieder für Gott einsetzen. Gott selbst wird dir sagen, wie du sie einsetzen sollst. Versuchst du hingegen auf eigene Faust zu heilen, so ist es trotz deiner besten Absichten möglich, dass du Gottes Willen zuwiderhandelst.
Angenommen, du betest und meditierst mit der Absicht, göttliche Kraft zu erlangen, um Menschen zu heilen und der Welt zu helfen. Du sagst: „Ich möchte wie ein Kamel sein, das die Last der Welt auf seinem Rücken trägt.“ Aber wie kann das Kamel anderen helfen, Erleuchtung zu erlangen, wenn es selbst nicht erleuchtet ist? Du läufst deinem Ziel entgegen. Wünschst du dir von Gott etwas Bestimmtes, so hast du damit nur noch mehr zu tragen und das wird dich vielleicht aufhalten. Wenn die Gottverwirklichung dein Ziel ist, dann denke nur an dieses Ziel und an nichts anderes.
Kommt dir jedoch ein Heilmittel gegen eine Krankheit spontan aus deinem Inneren heraus in den Sinn, ohne dass dein Verstand oder Wunschdenken im Spiel war, so hat dies nichts mit Ego, Stolz oder Eitelkeit zu tun. Falls du in deiner Meditation plötzlich inneres Licht siehst, das dir ein Heilmittel gegen eine tödliche Krankheit zeigt, so kannst du diese Vision natürlich mit der Welt teilen. Am besten ist es jedoch, erst einmal Erleuchtung zu erlangen. Nur dann wirst du Gott immer auf Seine eigene Weise dienen. Sonst wirst du Gott das eine Mal auf Seine Weise eigene dienen, das andere Mal aber nur dein eigenes Ego nähren.
Wie kann man den Unterschied zwischen dem Willen Gottes und bloßem Wunschdenken erkennen?
Sri Chinmoy: Um Gottes Willen zu kennen, muss man weder ein spiritueller Meister noch eine hoch entwickelte Seele sein. Von beiden gibt es nur sehr wenige auf dieser Erde. Aber man muss zumindest ein spiritueller Sucher sein. Wie wird man ein wahrer Sucher? Ein wahrer Sucher ist derjenige, der sich ohne Gott nicht nur hilflos, sondern auch vollkommen hoffnungslos, bedeutungslos und nutzlos fühlt. Ohne Gott ist er nichts, mit Gott hingegen alles: spirituelles Streben, Verwirklichung, Enthüllung, Manifestation. Wer so empfindet, kann über Nacht zu einem wahren Sucher werden.
Ein aufrichtiger Sucher versucht jeden Tag hingebungsvoll zu meditieren. Wer jeden Tag voller Hingabe meditiert, wird schon bald freien Zugang zu Gottes innerem Reich haben und Gottes Botschaft vernehmen können. Natürlich ist es einfach zu sagen: „Du musst hingebungsvoll meditieren!“ Aber wirklich hingebungsvoll zu meditieren mag schwieriger scheinen, als den Mount Everest zu besteigen. Zu Beginn deiner Meditation musst du fühlen, dass dein ganzes Leben, deine gesamte Existenz, dein Lebensatem, eine Darbringung an deinen Inneren Lotsen ist. Nur so kannst du hingebungsvoll meditieren und gegenüber Gott ein Gefühl der Ergebenheit haben.
Während deiner Meditation kommt dann ein Zeitpunkt, wo dein Verstand völlig ruhig und still wird. Er ist dann voller Reinheit und Aufrichtigkeit und im Besitz einer eigenen Tiefe. Reinheit, Aufrichtigkeit und Tiefe haben ein gemeinsames Antlitz: Stille. Die Stille schenkt diesen drei Qualitäten Vollkommenheit.
Sobald der Verstand ruhig, still und leer ist, wirst du in deinem Herzen ein leises Ziehen oder etwas sehr Kleines – vergleichbar mit einer zarten Seifenblase – wahrnehmen, und darin steht in goldenen Buchstaben eine Botschaft geschrieben. Wenn du willst, kannst du deine Augen auch geschlossen halten. Manchmal wird diese Botschaft auch vom Herzen an den Kopf weitergeleitet, wo sie vom Verstand gelesen werden kann. Besitzt du jedoch die Fähigkeit, tief nach innen zu tauchen, so wirst du erkennen, dass die Botschaft schon zuvor in deinem Herzen aufgezeichnet war. Da du sie dort aber nicht entdecken konntest, ist sie nun in deinen physischen Verstand gelangt, um dich zu überzeugen.
Im Innersten des Herzens, wo alles von Reinheit überflutet ist, kann eine Botschaft von niemand anderem geschrieben worden sein als von Gott. Dorthin gelangt keine ungöttliche Macht. Im Falle des Verstandes ist es anders: dort können immer Sinnestäuschungen, Einbildungen oder selbst erschaffene Wahrheiten entstehen. Doch kein störender oder erdrückender Gedanke wird es jemals wagen, in die tiefsten Winkel unseres Herzens einzudringen. Die Tiefen unseres Herzens werden von Gott selbst beschützt und beschirmt, denn in ihnen liegen Seine eigenen Reichtümer und Schätze verborgen. Er selbst ist hier als der Pförtner, der Seine Schätze bewacht.
Während du meditierst, fühle bitte die Notwendigkeit, dein Herz vollständig zu öffnen und deinen physischen Verstand vollständig zu schließen. Der physische Verstand ist jener Verstand, der an deine Familie, deine Freunde und an die ganze Welt denkt. Verriegelst du die Tür zu deinem physischen Verstand und öffnest du dafür deine Herzenstür, so wird der Verstand ruhig und still und das Herz empfänglich. Wenn deine Konzentration und deine Meditation auf dein Herz gerichtet sind und dieses dafür empfänglich ist, kommt das, was dein Herz hütet - nämlich die Botschaft Gottes - zum Vorschein, und du wirst sie lesen und in deinem Alltag anwenden können.
Nun ist es eine Sache, Gottes Botschaft richtig zu vernehmen, aber eine ganz andere, auf sie zu hören und sie zu erfüllen. Viele Menschen hören Gottes Botschaft zwar, können aber in ihrem äußeren Leben nicht danach handeln. Dazu braucht man Vertrauen in sich selbst, das Vertrauen, dass man nicht nur Gottes Kind, sondern Gottes auserwähltes Kind ist. Wir alle sind Gottes Kinder, aber nicht jeder kann Gottes auserwähltes Kind sein, weil auch nicht alle Menschen bewusst spirituell streben. Die Auserwählten sind diejenigen, die Gott wirklich hier und jetzt wollen, jene, die fühlen, dass sie ohne Gott weder existieren würden noch existieren könnten. Schon alleine weil du aufrichtig nach Höherem strebst, darfst du dich als Gottes auserwähltes Kind bezeichnen.
Wenn mein Herz
vorbehaltlos und seelenvoll
dem Willen Gottes folgt
und ich ihn als meinen
eigenen Willen annehme,
wächst unendliche Freude
in meinem Herzen
und ewige Freude
durchströmt mein Herz.
Wie kann ich zur Hingabe an Gottes Willen einen positiveren Zugang finden?
Sri Chinmoy: Hingabe an Gott bedeutet, sich dem höchsten Teil unseres eigenen Wesens hinzugeben, denn Gott ist jener Teil in uns, der am meisten erleuchtet ist. Wir können Gott nicht von unserem Dasein trennen. Erkennen wir Gott und uns als eins, so können wir Gott als den Teil bezeichnen, der am meisten Licht besitzt, während unsere anderen Teile noch unerleuchtet sind. Wenn wir weise sind und wissen, dass der Eine, der reinste Erleuchtung verkörpert, Teil unseres Wesens ist, werden wir auf Ihn zugehen, um zu empfangen, was er zu geben hat. Betrachten wir die Hingabe unseres Selbst auf diese Weise, so werden wir keine Schwierigkeiten damit haben.
Betrachten wir Selbsthingabe hingegen als die Unterwerfung eines Sklaven unter seinen Herrn, so werden wir nie unser Einssein fühlen können. Ein Sklave gehorcht seinem Herrn aus Angst. Er fürchtet, entlassen zu werden, falls er seine Arbeit nicht ordentlich verrichtet. Was immer er auch für seinen Herrn getan hat – selbst wenn er ihm seelenvoll, hingebungsvoll und sogar bedingungslos gedient hat – letztlich fehlt ihm immer die Gewissheit, dass ihm sein Herr geben wird, was er möchte, oder dass dieser ihn zufrieden stellen wird. Handelt es sich bei diesem Herrn um einen gewöhnlichen Menschen, der sich einige Sklaven hält, so werden ihm diese all seine Wünsche erfüllen. Aber wenn es darum geht, von sich selbst etwas zu geben, um die Bedürfnisse seiner Sklaven zu erfüllen, so mag er davon meilenweit entfernt sein.
Wenn wir unsere Existenz Gott darbringen, fühlen wir ein Einssein wie zwischen Vater und Sohn oder Mutter und Kind. Ein kleines Kind hat immer das Gefühl, dass alles, was sein Vater besitzt, auch ihm gehört. Nehmen wir an, sein Vater hat ein Auto. Obwohl das Kind erst drei Jahre alt ist, wird es sagen: „Ich habe ein Auto.“ Es braucht nicht zu sagen: „Mein Vater hat ein Auto“; es sagt einfach: „Das ist unser Auto.“
Ändern wir also das Verständnis unserer Beziehung zu Gott, so werden wir keine Schwierigkeiten haben. Besitzt Er Frieden, so haben auch wir jedes Recht, diesen als unser Eigen anzusehen. Er ist unser Vater und so ist Sein Friede Teil unseres Erbes. Gerade weil Gott unser Vater, und weil Gott unsere Mutter ist, dürfen wir so fühlen. Ein Kind unterwirft sich nicht; es sieht nur den gesamten Besitz seiner Eltern zu Recht als sein Eigen an. Betrachten wir uns hingegen als Gottes Sklaven, die ihrem Herrn zu Füßen liegen und alles für Ihn tun müssen, dann haben wir keine Gewissheit, dass Er uns zufrieden stellen wird.
Wir geben nichts hin; wir werden uns lediglich der Tatsache bewusst, dass wir Jemandem gehören, der alles besitzt. Wir können es jederzeit in Anspruch nehmen. Für die Füße ist es nicht weiter schwierig, ihr Einssein mit dem Kopf zu fühlen, denn sie wissen, dass häufig auch der Kopf die Hilfe der Füße benötigt.
In gleicher Weise erkennen wir durch unser spirituelles Streben, dass Gott uns ebenso braucht wie wir Ihn. So wie wir Ihn benötigen, um das Höchste, die absolute Wahrheit, zu verwirklichen, so benötigt Er uns für Seine Manifestation. Wenn es für Gott nicht unter Seiner Würde ist, die Hilfe von unwissenden Menschen für Seine Manifestation hier auf Erden anzunehmen, wie kann es dann unter unserer Würde sein, Ihn um Frieden, Licht und Seligkeit zu bitten? Sobald wir mit Gott bewusst eins geworden sind, gibt es keine Unterwerfung mehr. Das, was bestehen bleibt, ist gegenseitiges Geben und Nehmen. Alles, was die Füße geben können, nimmt der Kopf gerne in Anspruch, und umgekehrt. Wir schenken Gott unsere spirituelle Strebsamkeit und Er schenkt uns Seine Verwirklichung. Wir geben Ihm, was wir haben, und Er gibt uns, was Er hat und was Er ist. Auf diese Weise unterwerfen wir uns nicht, sondern nehmen uns gegenseitig an.
Wenn wir unsere Willenskraft stärken, beeinträchtigt dies dann nicht unsere Fähigkeit zur Hingabe?
Sri Chinmoy: Eiserne Willenskraft wird uns die Fähigkeit schenken, uns bedingungslos hinzugeben, und unsere bedingungslose Selbsthingabe stärkt wiederum unsere Willenskraft. Die innere Willenskraft, die das Licht der Seele ist, und die Selbsthingabe, welche das Einssein des Herzens mit dem Absoluten ist, gehen Hand in Hand. Es gibt keinen Unterschied zwischen der Willenskraft der Seele und der bedingungslosen Hingabe an den Willen des Supreme. Beide sind gleich stark. Wer seinen Willen bedingungslos dem Supreme überantworten kann, tut dies aufgrund seiner inneren Willenskraft, dem Licht der Seele.
Gib deinen Willen Gott hin!
Du wirst beobachten,
dass sich all deine Enttäuschungen
in unvorstellbare Stärken verwandeln.
Wie können wir uns dem Supreme hingeben?
Wenn du der Unwissenheit
deine Hingabe verweigerst,
wird dir Gott bestimmt erlauben,
in Seinem Mitleidshafen
vor Anker zu gehen.
Alles Leben muss zu einem
Strom der Hingabe werden,
bevor es alles, was es hat,
und alles, was es ist,
dem Meer der Erfüllung
übergeben kann.