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Dichter und Lyrik

Ein Dichter hat drei sehr besondere Namen: Der Glückseligkeits-Sucher von gestern, der Glückseligkeits-Seher von heute und der Glückseligkeits-Bote von morgen.

Es gibt drei Arten von Dichtern: gewöhnliche Dichter, große Dichter und Seher-Dichter. Gewöhnliche Dichter sprießen wie Pilze in unendlicher Zahl. Die großen Dichter sind rar; sie sind auch bekannt als geborene Dichter. Die Seher-Dichter sind von höchster Höhe. Ein Seher ist der, der sich Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft alle zugleich vorstellen kann.

Lyrik hat drei sehr besondere Namen: Inspirations-Verstand, Strebens-Herz und Schönheits-Leben.


Gott wollte einen sehr, sehr besonderen Garten für sich haben. Er bat Seinen Dichter-Sohn, der Gärtner zu sein. Er bat den Gärtner auch, den Garten so schön wie möglich und gleichzeitig so klein wie möglich zu machen. Der Dichter-Gärtner fragte Gott ergeben, ob es irgendeinen esoterischen Grund gäbe, den Garten so winzigklein und so wunderschön zu machen.
Gott sagte zu Seinem neu ernannten Dichter-Gärtner: „Was ist Lyrik, wenn nicht Meine wahre Schönheit? Erinnerst du dich nicht an die unsterbliche Äußerung meines englischen Dichter-Sohnes Keats: ‚Ein Ding der Schönheit ist eine Freude für immer‘? Schönheit und Unendlichkeit sind untrennbar. Ich will die Unendlichkeit, die Ich bin, durch das Endliche, das Ich ebenso bin, zum Vorschein bringen. Deshalb bitte Ich dich, Mir einen Garten von unergründlicher Schönheit und unübertrefflicher Schönheit zu machen.“
Gott sprach weiter zu Seinem Dichter-Gärtner: „Mein Sohn, wenn du deine Aufgabe zu Meiner Zufriedenheit erfüllt hast, werde Ich dir eine weitere Aufgabe anvertrauen. Du wirst der einzige Flötenspieler in meinem Garten sein. Die Schönheits-Liebenden der Unendlichkeit werden aus allen Himmelsrichtungen kommen und in tiefen Zügen die Schönheit unseres Gartens trinken.“


Der Unterschied zwischen einem Prosaschreiber und einem Lyriker ist folgender:
Ein Prosaschreiber ist ein Marschierender. Er marschiert und marschiert entlang der Straße der Ewigkeit, um ans Ziel der Unendlichkeit zu gelangen.
Ein Lyriker ist ein Sänger. Er singt und singt entlang der Straße der Ewigkeit, um ans Ziel der Unendlichkeit zu gelangen.
Der Prosaschreiber hat Donner-Beine.
Der Lyriker hat Blitz-Füße.
Am Ziel angekommen, erklärt der Prosaschreiber: „Ich bin geworden.“
Am selben Ziel angekommen, flüstert der Dichter: „Ich bin ewiglich.“

Ich schreibe seit über einem halben Jahrhundert Prosa und Lyrik. Ich segle sehr glücklich und stolz in Coleridges Boot: „Ich wünschte, unsere klugen Dichter würden sich erinnern … Prosa: Worte in ihrer besten Reihenfolge. Lyrik: die besten Worte in der besten Reihenfolge.“
Auch ist es erhellend, einen Kommentar von Rabindranath Tagore, dem Meisterdichter von Indien, der 1913 den Literaturnobelpreis erhielt, zu lesen. Er schreibt: „Ich frage mich, warum seitenweise Prosa zu schreiben auch nicht im entferntesten an die Freude der Vollendung eines einzelnen Gedichts heranreicht. In einem Gedicht erhalten die eigenen Gefühle solch eine Vollkommenheit der Form, dass sie sozusagen mit Händen gegriffen werden können. Prosa dagegen ist wie ein Haufen loses Material, unfähig, sich nach Belieben fassen zu lassen.“


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