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Wunsch und Streben

Begierde ist ein wildes Feuer, das brennt und brennt und uns schließlich verzehrt. Das Streben ist ein glühendes Feuer, das unser Bewusstsein auf geheimnisvolle und heilige Weise erhöht und uns schließlich befreit. Durst nach dem Höchsten ist Streben. Durst nach dem Niedersten ist Vernichtung.

Begierde ist Erwartung. Ohne Erwartung gibt es keine Enttäuschung. Begierde vernichten heißt wahres Glück errichten. Streben ist Selbsthingabe, und Selbsthingabe ist das bewusste Einssein des Menschen mit dem Willen Gottes.

Wie der Krieg den Handel eines Landes zum Stillstand bringt, so bringt unser starker Hang zu den Vergnügen der Unwissenheit alle unsere inneren spirituellen Regungen zum Stillstand.

So wie die Dinge heute liegen, sind wir schon durch unsere Geburt dazu verurteilt, weit weg von Gott zu sein. Warum schwelgen wir freiwillig in Sinnesvergnügen und rücken damit noch weiter von Gott weg? Die eingebildeten Bedürfnisse unseres menschlichen Lebens zu befriedigen und nach der Erfüllung unserer irdischen Gelüste zu schreien heißt in Wirklichkeit bloß, uns selbst zu quälen. Gottes wirkliche, göttliche Bedürfnisse in und durch uns zu befriedigen hingegen ist Selbsterleuchtung.

Ach Gott, die unerleuchteten Menschen verstehen Dich immer falsch. Sie glauben, Du seiest gnadenlos. Wenn Du jedoch ihre wollüstigen Begierden erfüllst, glauben sie, niemand auf der ganzen Erde könne Dich an Torheit überbieten.

Ach Mensch, betrachte dein überaus klägliches Schicksal! George Bernard Shaw hat es in treffliche Worte gefasst: „Es gibt zwei Tragödien im Leben. Die eine entsteht, wenn deine Herzenswünsche nicht erfüllt werden, die andere, wenn sie dir erfüllt werden.“

Begierde bedeutet ängstliches Bangen. Dieses Bangen findet erst dann Befriedigung, wenn es sich durch feste Bindung erfüllen kann. Streben bedeutet Ruhe. Diese Ruhe findet erst dann Befriedigung, wenn sie sich durch hellsichtige und all-liebende Ungebundenheit ausdrücken kann. In der Begierde und nirgendwo sonst wohnt die menschliche Leidenschaft. Sie hat einen gefürchteten Feind: Das Urteil der göttlichen Fügung. Im Streben und nirgendwo sonst liegt die Rettung des Menschen. Es hat einen ewigen Freund: Gottes all-erfüllende Gnade.

Begierde ist Versuchung. Nähre die Versuchung, und das wahre Glück verhungert. Streben ist Erwachen der Seele. Das Erwachen der Seele ist die Geburt von überirdischer Wonne.

Ein wahrer Sucher nach der unendlichen Wahrheit kann nie etwas aus Oscar Wildes Entdeckung gewinnen, dass die einzige Möglichkeit, von einer Versuchung loszukommen darin bestehe, ihr nachzugeben. Der Sucher hat bereits die Wahrheit entdeckt, dass man nur durch hohes, höheres und höchstes Streben alle Versuchungen – sichtbare und unsichtbare, geborene und noch ungeborene – loswerden kann.

Von Oscar Wilde stammt auch folgende wichtige Feststellung: „Ich kann allem widerstehen – außer der Versuchung.“ Gewiss macht ihm deswegen niemand einen Vorwurf, denn Versuchung ist eine universelle Krankheit. Für einen Menschen ohne Streben ist die Versuchung ausnahmslos unwiderstehlich. Doch ein wahrer Sucher fühlt und weiß, dass er der Versuchung widerstehen kann, dass er aber der Verwandlung nicht widerstehen kann; der Verwandlung seiner physischen Natur, seines gesamten Bewusstseins in der Tiefe des Meeres der Zeit. Der Verwandlung seiner physischen Natur, seines gesamten Bewusstsein hat er natürlich nie widerstrebt und wird ihr auch nie widerstreben. Im Gegenteil, gerade für diese Verwandlung lebt er auf der Erde.

Sehen wir uns die Kraft einer Begierdenblase an! Sie vermag unser ganzes Leben für ihren alleinigen Gebrauch einzuspannen. Sehen wir uns die Kraft von einem Hauch von Streben an! Es kann uns fühlen lassen, dass Gott der Unendliche voll und ganz uns gehört. Und noch etwas: Es lässt uns fühlen, dass Gottes unendliche Liebe, Sein Friede, Seine Freude und Kraft für unseren ständigen Gebrauch da sind.

Sinnesobjekte und die sinnliche Bindung des Menschen an sie sind nicht zu trennen. Aber in dem Augenblick, da sie Gottes Lächeln sehen, verleugnen sie ihre Verbundenheit. Mehr noch, sie werden einander vollkommen fremd.

Erfüllen Sie die Verlangen Ihres Körpers, und Sie verlieren Ihre Selbstbeherrschung. Erfüllen sie die Bedürfnisse Ihrer Seele, und Sie gewinnen Ihre Selbstbeherrschung.

Umarmen Sie das Laster nicht. In Ihrer Enthaltung werden Sie etwas Wertvolleres besitzen: Selbstbeherrschung. Was ist Selbstbeherrschung? Sie ist die Kraft, die Ihnen sagt, dass Sie nicht zu Ihrem Ziel laufen müssen. Das Ziel muss zu Ihnen kommen – und wird es auch.

Das Kapital der äußeren Welt ist Geld, das sich sehr oft in giftigen Honig verwandelt. Das Kapital der inneren Welt ist das Streben, das sich am Ende zur Selbstverwirklichung wandelt.

Der Gipfel der menschlichen Begierde drückt sich in Julius Caesars veni, vidi, vici aus: „Ich kam, sah und siegte.“ Der Höhepunkt des göttlichen Strebens findet sich in einem Ausspruch vom Sohne Gottes: „Vater, Dein Wille geschehe.“

Der Mensch ist der Sklave der Leidenschaft. Der Mensch ist das Kind Gottes. Was möchten Sie sein, Gottes Kind oder der Sklave der Leidenschaft? Wählen Sie. Die eine Wahl führt Sie zur völligen Zerstörung, die andere zur augenblicklichen Befreiung. Wählen Sie. Ihnen wird die goldene und bedingungslose Wahl überlassen. Sie haben keine Wahl: Sie müssen wählen. Hier und jetzt.